Der Glaubenssatz, dass man nur mit viel Disziplin wirklich gut auf seinem Instrument werden kann, begegnet mir eigentlich ständig. Ob es meine eigene Einstellung war, ob die meiner Kommiliton*innen im Klarinettenstudium oder die meiner Schüler*innen. 

Aber ist es wirklich so, dass wir allein durch Disziplin gut werden können?

Das erste, was ich mit dem Wort „Disziplin“ assoziiere, ist „harte Arbeit“ und „durchhalten“. Aus meiner Sicht stehen diese Assoziationen mit der Freude und dem Spaß, den uns Musik bereiten sollte, aber total im Widerspruch. Oder?

Egal ob Hobby- oder Berufsmusiker*in, beide verbindet, dass Üben oder Musizieren am meisten Freude macht, wenn es uns leicht fällt, wenn wir motiviert sind und in einen Flow kommen! Wir also nicht auf unsere Diszipliniertheit angewiesen sind, um regelmäßig das Instrument in die Hand zu nehmen.

Disziplin wären dann kein Dauerzustand und wir müssten nur selten diszipliniert sein, um regelmäßig zu musizieren.

Zwei Fälle, in denen Du weiterhin Disziplin brauchst

Der erste Fall, in dem Du meiner Meinung nach Disziplin brauchst, um regelmäßig zu musizieren, ist die Zeit, in der Du eine Überoutine etablieren möchtest. Also in den ersten 4-6 Wochen. Hier erfordert es Disziplin die von Dir geplanten Einheiten auch wirklich einzuhalten. Wenn Du die Anfangszeit mit Hilfe der Disziplin überwunden hast, wird es aber leichter. Du hast eine Routine entwickelt und diese hilft Dir dann dranzubleiben.

Der zweite Fall, bei dem Du diszipliniert sein “musst”, um weiter am Ball zu bleiben, sind die Momente, in denen es Dir schwer fällt zu üben. Vielleicht bist Du von Deinem Tag erschöpft und die anstehende Übeeinheit scheint nicht das Verlockenste zu sein. In diesem Momenten hilft Dir Deine Disziplin dabei dran zu bleiben und Dein Instrument in die Hand zu nehmen.

Wie Du nicht immer diszipliniert sein musst, um regelmäßig zu musizieren

Aus meiner Sicht ist es ein Gedanke, der am meisten dazu beiträgt, dass wir denken ständig diszipliniert sein müssen, um eine Überoutine aufrecht zu erhalten.

Wir sehen Üben als Arbeit.

Oft sehen wir Üben als Vorbereitung auf das „richtige“ Musizieren! Sehen Musizieren und Üben getrennt voneinander! Sehen das Üben als ein Mittel, um ein zukünftiges Ziel zu erreichen, z.B. bei einem Konzert oder einer Probe gut zu spielen. 

Aber Üben kann ein Selbstzweck sein!

In dem Moment, in dem Du Dein Instrument in die Hand nimmst, in diesem Moment musizierst Du.

In diesem Moment tust Du genau das, weswegen Du angefangen hast ein Instrument zu spielen. Du brauchst keine Vorbereitung oder stundenlanges üben, um musizieren zu können oder auch Spaß dabei zu haben.

Wenn Du es also schaffst in Deinem Üben schon die Freude und den Spaß zu empfinden, den Du Dir vom Musizieren erhoffst. Wenn jede Minute, die Du mit deinem Instrument verbringst, bereits einen Wert hat, Du Dich beim Üben nicht nur auf etwas in der Zukunft vorbereitest oder es als notwendiges Übel siehst. Dann, und davon bin ich sehr überzeugt, wirst es Dir soviel leichter fallen regelmäßig zu musizieren. Und dann musst Du auch nicht immer diszipliniert sein, um zu üben. 

Wie wird Üben für Dich zu einem Selbstzweck?

Was bedeutet Musizieren für Dich? Warum willst Du ein Instrument erlernen? 

Dein eigenes Warum zu finden, kann Dir enorm dabei helfen stetig motiviert zu bleiben! Denn wenn Du weißt warum Du Dein Instrument spielen willst, kommt Du weg von dem schwammigen Satz: „Eigentlich sollte ich mal üben.“ zu „Ich gehe üben, weil…“ Ich musiziere, weil….“

Lass Dich gerne von den folgenden „Warums“ inspirieren:

  • Du willst musizieren um Deinen Kopf frei zu bekommen oder zu entspannen. 
  • Du erlernst ein Instrument, um Abwechslung in Deinen Alltag zu holen. 
  • Du liebst es selbst Klänge zu produzieren.
  • Du möchtest Dir Zeit für Dich nehmen.
  • Du möchtest ein Gegengewicht zu Deinen sehr kopflastigen Tätigkeiten schaffen und in Kontakt mit Deinem Körper kommen.
  • Du möchtest ein bestimmtes Stück oder Lied lernen.
  • Du möchtest mit anderen in einer Band oder einem Ensemble zusammen musizieren.

Was ist also Dein Warum? 

Keine Sorge falls es Dir schwerfällt Dich auf ein “Warum” festzulegen. Du kannst natürlich auch mehrere “Warums” auswählen. Bedenke auch, dass sich Deine Gründe zu musizieren über die Zeit verändern können. Es lohnt sich also immer mal wieder darüber nachzudenken. 

Zwei konkrete Beispiele: Welcher Typ bist Du?

Im folgende stelle ich Dir zwei unterschiedliche Disziplin-Typen vor und wie sie mehr Freude und Leichtigkeit in ihr Musizieren integrieren können.

Typ 1:

Hast Du wenig Zeit in Deinem Leben, die Dir frei zur Verfügung steht? Hast Du einen sehr fordernden Job oder eine Familie? Du möchtest unbedingt ein Instrument spielen, aber Üben zu müssen oder ein Instrument zu spielen baut bei Dir zusätzlichen Druck auf? Du denkst, dass das Musizieren ohne diszipliniertes Üben keinen Sinn hat. 

Wie kannst Du Musik in Dein Leben integrieren, ohne das Gefühl zu haben Dir eine weitere Verpflichtung in Dein Leben zu holen?

Um Dich von dem Druck zu lösen, den Du bei dem Gedanken an das Üben hast, könntest Du Deine Wahrnehmung vom Üben ändern. Es weniger als Arbeit und mehr als „Quality time“ sehen. Auf diesem Weg wird das regelmäßige Musizieren für Dich zu etwas sehr Wertvollem. Zu einer Zeit für dich, zu einer Zeit wo Du Deinen Körper spürst, zu einer Zeit, während der Du entspannen kannst oder in der Du Deinen Kopf frei bekommst.

Wenn die Überzeit für Dich einen eigenen Wert hat, wirst Du viel lieber zu Deinem Instrument greifen.

Inspiration, wie Dir das gelingen kann, findest Du in meinem Artikel „Musizieren das neue Achtsamkeitstraining?

Typ 2 

Bist Du ein disziplinierter Mensch? Du weißt wie Du Pläne einhältst, bist sehr zielorientiert und auch bereit die nötigen Anstrengungen und Disziplin zu investieren, um auf Deinem Instrument besser zu werden.

Trotzdem hast Du nach einer Weile das Gefühl, dass das Musizieren viel Energie frisst, dass Du noch weit entfernt von einem Musizierflow bist.

Damit Du wirklich Freude beim Üben verspüren kannst und es nicht nur als etwas siehst, das Du abarbeiten “musst”, versuche Dir etwas mehr Leichtigkeit und Lockerheit in Deine Überoutine zu holen. 

Richte Deinen Fokus auf Dinge, die Dir beim Musizieren Spaß machen. Lausche dem schönen Klang, den Du produzierst oder nehme Kontakt mit Deinem Körper auf. Wie fühlst Du Dich beim Spielen?

Dann ist das regelmäßige Musizieren keine harte Arbeit mehr, um in der Zukunft einmal richtig gut spielen zu können und eine Übezeit wird zu etwas Besonderem, weil Du in dieser Zeit Dinge erlebst, die Du nur beim Musizieren wahrnehmen kannst. 

Für Dich kurz zusammengefasst:

  • Überprüfe was Du mit dem Wort Disziplin verbindest und ob Du denkst, dass Du fürs Musizieren sehr viel Disziplin brauchst.
  • Disziplin sind beim Musizieren auf jeden Fall nötig, aber sollten nicht die einzige Lösung sein, um regelmäßig zu Üben.
  • Kennst Du z.B. Dein Warum? Dieses wird Dir dabei helfen motiviert, auch ohne Disziplin zu Üben. 
  • Wir sehen Üben oft getrennt und als Vorbereitung zum Musizieren. Üben kann aber auch ein Selbstzweck sein! 
  • Welcher Typ bist Du? 1 oder 2?

Fazit

Ich hoffe, es ist hier wirklich klar geworden, dass ich nicht die Meinung vertrete, dass man keine Disziplin beim Musizieren braucht. 

Ich möchte jedoch mit dem Vorurteil aufräumen, dass man allein durch Disziplin beim Musizieren vorankommen kann. Und vor allem möchte ich auch, dass Dir das Üben leichter fällt und Du nicht das Gefühl hast Dich allein durch harte Arbeit weiterentwickeln zu können.

Musizieren ist etwas Wunderbares, sollte Spaß machen und von allein motivieren!

Deine Melina

Ich bin schon sehr gespannt, welcher Typ Du bist und ob Du Dich in dem ein oder anderen Beispiel wiederfindest! Hinterlasse mir wie immer gerne einen Kommentar!